Anfang 2020 hatte Frank Fischer von der FF-Fotoschule (www.ff-fotoschule.de) die tolle Idee, zu einem Community-Projekt mit dem Titel "100 Ikonische STreetphotos".
Als Inspiration dient das Buch „Street Photography – A History in 100 iconic Images“ von David Gibson. 100 Teilnehmer bekommen je eines der darin enthaltenen 100 Fotos und nutzen diese als Inspiration für eine eigene Umsetzung. Für die genaue Umsetzung gibt es die Infos hier:
https://www.ff-fotoschule.de/blog/grosse-streetfotoprojekt-0
Ich war dieses Jahr im Juli an der Reihe und bekam als Vorlage dieses Foto:
https://www.reddit.com/r/HumanPorn/comments/dfvwni/girl_in_the_subway_tokyo_1984_photo_by_ed_van_der/

Nun möchte ich euch meine Interpretation sowie die Gedanken dazu zeigen, welche den Blog-Beitrag des Projektes bei der FF-Fotoschule bilden.

Girl in the Subway - Ed van der Elsken - Tokyo 1984
Ich freute mich schon lange auf den Tag, als ich das Buch von meinem „Vorgänger“ persönlich in Empfang nehmen konnte. Doch nach der ersten Euphorie und dem Heraussuchen „meiner“ Seite kam sehr schnell die erste Ernüchterung – die Seite war schon bearbeitet! Zum Glück konnte ich den Fehler schnell finden und nach einer kurzen Rücksprache mit Frank war dann klar, dass „mein“ Foto von Ed van der Elsken stammt und den Titel „Girl in the Subway“ trägt.

Der Fotograf:
Über Ed van der Elsken (1925-1990) sagt man, er habe mit und durch seine Kamera gelebt. Nach dem Abbruch seiner Ausbildung zum Bildhauer widmete er sich nach dem Zweiten Weltkrieg völlig der Fotografie. So wurde er aufgrund seiner eigenen Faszination für das Stadtleben durch seine Street- und Dokumentationsfotografie zum berühmtesten Fotografen der Niederlande und einem Chronisten der Hippie-Bewegung. In den Straßen von Paris bis Hongkong und Tokyo zeigte er die Menschen in der Umgebung ihres täglichen Lebens. Seine Arbeiten waren immer von Intimität durch einen geringen Abstand Kamera – Motiv und einer autobiographischen Note geprägt. In den 1970er Jahren machte er sich auch als Filmemacher einen Namen und so dokumentierte er in seinem letzten Film „Bye“ seine eigene Krebserkrankung bis zu seinem Tod 1990. 

Mein erster Eindruck des Bildes:
Zuerst stellte sich mir die Frage – ist es „echte“ Street-Fotografie oder ein gestelltes Bild? Nach einigem Lesen über dieses Bild war dann klar: eindeutig gestellt. Doch dann kam direkt die nächste Frage: sind die beiden Personen gemeinsam dort in der U-Bahn oder treffen sie zufällig aufeinander? Fotografisch fällt - neben dem kontrastreichen Schwarz-Weiß-Bild - direkt die Linienführung ins Auge: alle Linien gehen zum linken-oberen Drittel. So wird der Blick von rechts kommend auf die Personen in der Mitte sowie links gelenkt. Erst auf den zweiten Blick fiel mir auf, dass rechts gar keine Bahn steht, sondern die Säulen diesen Eindruck vermitteln. Auch bei diesem Bild war Ed van der Elsken nah an seinem Motiv dran, vermutlich wurde weitwinklig mit weit geöffneter Blende fotografiert.

Meine Umsetzung:
Die einzige U-Bahn bei mir in der Nähe findet sich in Frankfurt, also sollte mich mein Weg dorthin führen. Für mich war sofort klar, dass ich kein gestelltes Bild machen möchte. Eine ähnliche Situation stellte ich mir durch die ähnliche Position eines Paares im Bild vor oder aber durch eine asiatische Frau, die ich mir auch in einer anderen Position vorstellen konnte. Kurz überlegte ich, ob mich die Maskenpflicht am Bahnsteig stören würde und ob ich dies irgendwie umgehen könnte. Jedoch verwarf ich diesen Gedanken schnell wieder – denn die Masken gehören nun mal aktuell zu unserem Leben dazu und sind auf ihre Art ja auch Zeitzeugen. Fotografieren wollte ich mit der Olympus PEN-F und einem 17mm Objektiv offenblendig.
So fuhr ich also nach Frankfurt und ging in die erstbeste U-Bahn-Station – hier waren kaum Leute zu sehen und die Station hatte keinerlei Ähnlichkeit mit dem Foto. Daran hatte ich nicht gedacht und mir vorher keine Fotos der Stationen angeschaut – Mist! Also weiter zum Hauptbahnhof mit der Hoffnung, hier mehr Passanten zu finden. Gedanklich sah ich mich schon an meinem nächsten freien Tag in eine „richtige“ Großstadt fahren, um dort nach Bahnsteigen und Menschen zu suchen… Doch am Hauptbahnhof sah es dann besser aus und ich fand einen idealen Bahnsteig. Nun musste ich nur noch auf den Feierabendverkehr warten, damit Menschen ins Bild kamen. Ich ärgerte mich dann doch, dass ich nur das 17mm-Objektiv dabei hatte, denn ich traute mich nicht nah genug an die Leute heran… Nach längerem Warten und vielen schlechten Bildern, ergab sich dann plötzlich die Szene auf meinem Foto. Das war es! Die Umkehrung der Position von Mann und Frau in Kombination mit dem genervten Blick des Mannes statt dem unterwürfigen Blick der Frau im Original passten gut zusammen! So war „mein“ Foto in der heutigen Zeit angekommen. In der Nachbearbeitung musste ich das Bild jedoch etwas zuschneiden, da mein Abstand zum Motiv vor Ort doch noch immer zu groß war. 

Zu mir:
Mein Name ist Beate Fischer, ich bin Unfallchirurgin und fotografiere – zwar mit Leib und Seele  aber - nur zum Spaß. Das jedoch sehr gerne und viel – alles außer Menschen und Street! Also war diese Aufgabe – wie erwartet - eine große Herausforderung für mich, mal wieder aus meiner fotografischen Komfortzone heraustreten zu müssen. Und genau das war meine Motivation, bei diesem Projekt mitmachen zu wollen. Die intensive Beschäftigung mit einem Foto, bevor man überhaupt die Kamera in die Hand nimmt, empfand ich als sehr lehrreich und besonders. Vielleicht sollte man so etwas häufiger unternehmen! Ich danke Frank für diese Erfahrung durch dieses großartige Projekt! Das war in jeder Hinsicht ein Gewinn! 



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